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         „Die
        deutsche Eiche trotzt dem Sturm
        
         
        ihr Totengräber ist der Wurm.“
        
         
        reimte Wilhelm Busch. Wie recht er hatte, 
        davon wissen die Maler ein Lied zu singen!
        
         
         
            Malen
        kann man ja auf jeder halbwegs glatten Oberfläche - von den Höhlen
        Altamiras bis zu den Eisenbahnwänden der Graffiti-„Writer“ unserer
        Tage. Fragt sich nur, wie lange das hält. Soll es länger halten, muss
        man sich nolens volens um Bildträger, Farben und Umweltbedingungen kümmern
        
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        und da fangen die Probleme an. Im Gegensatz zu Musik oder
        Literatur etwa ist die Malerei - trotz aller modernen Pixelei - auf
        Materie angewiesen: die Beschaffenheit der Farbe und Malgründe. Am
        besten , man malt in der Antarktis, wo Bakterien sich nicht hintrauen
        (geschweige denn größere Bilderfresser wie Käfer und Würmer), wo das
        Klima trocken-konstant ist und kein Krieg herrscht - noch nicht. Kürzlich
        fand man Schiffe, Ausrüstungen, Schlitten von frühen Expeditionen,
        frisch wie am ersten Tag, wie für die Ewigkeit gemacht - und ist nicht
        dies einer der ältesten Menschheitsträume, ist es nicht das, was wir auch
        von der Kunst verlangen: Verewigung?
        
         
         
            Seit
        Adam Evas süßen Umriss in den nächsten Felsen ritzte, ist nicht viel
        von den bildnerischen Hervorbringungen der Spezies Homo ludens übriggeblieben,
        von gemalten naturgemäß noch weit weniger als von „gehauenen“
        Bildern. Erst in neuerer Zeit wird die Sache etwas stabiler, und das hängt
        auch mit dem gewachsenen Wissen über Bildträger und Farben zusammen
        (wer einen schlampigen Umgang mit der Maltechnik für Genialität hält,
        hat ein kitschiges Verhältnis zur Kunst: die Farben der Expressionisten
        fallen schon seit langem von der Wand). Aber auch die Alten Meister mit
        ihren ausgebufften Werkstätten waren nicht allwissend. Nach nunmehr
        5oojährigem Abstand von der Renaissance können wir heute ganz gut
        beurteilen, was sie lieber nicht hätten tun sollen. Eine zu
        komplizierte Maltechnik mit vielen Schichten und Lasuren wird dann
        selbst einem Weltmeister wie Dürer zum Verhängnis. Da Ölfarbe die
        unselige Neigung hat, mit der Zeit durchsichtig zu werden (vom
        „Krepieren“ und Krümeln mal ganz abgesehen), kommt es vor,
        dass man - von der Vorzeichnung über diverse halbdeckende Untermalungen
        - irgendwann dann den gesamten Malvorgang sozusagen simultan an der
        Oberfläche sieht - das war nicht im Sinne des Meisters!
        
         
         
             Was die
        Bildträger angeht, kann man heute sagen, dass die soliden vielfach über
        Kreuz verleimten „Taffeln“ aus „ewiger“ deutscher Eiche, auf
        denen die Alten malten, sich am schlechtesten gehalten haben. Risse,
        Wurmbefall, Verwerfungen haben ihnen oft arg zugesetzt - die um 15OO
        bespöttelten  „Tüchlein“, die einige Neuerer benutzten, haben die
        Zeiten, weil viel leichter, daher leicht transportierbar (Brände,
        Hochwasser, Bildersturm etc.!) asiatisch-flexibler überstanden. Am
        besten gehalten haben sich  reine
        Temperabilder  auf Leinwand,
        die Farbe ist deckend und relativ stabil, auch in der Leuchtkraft. Sie
        hatte für die Renaissance nur einen entscheidenden 
        Nachteil: da Tempera rasend schnell trocknet, kann man keine
        weichen Übergänge malen, also keine echte Plastizität. Was für die
        Moderne prima, ja geradezu programmatisch war 
        (Kandinsky: „Punkt, Linie, Fläche“), trieb den jungen Van
        Eyck zur Verzweiflung, so dass er sich genötigt sah, „die Ölfarbe zu
        erfinden“. Sie erlaubt ein geschmeidiges Herstellen von
        Hell-Dunkelverläufen - also plastische Figuren , vorher musste man
        schraffieren, und das kann für den 
        Eindruck z.B. eines Gesichtes mächtig abtörnend sein
        (Altmeppen:  „Abtörnfarbe“).
        
         
         
             Wer also heute malt und wert
        darauf legt, in 100 Jahren noch sichtbar zu sein, kommt um ein Minimum
        an Maltechnik nicht herum. Er sollte seine Leinwände grundiert von
        Qualitätsfirmen kaufen  (Selbstgrundieren
        ist zwar billiger, erfordert aber viel Zeit und Wissen, also 
        eher was für Kunststudenten und Hobbykünstler). Eine robuste
        Leinwand erkennt man daran, dass sie sich erfolgreich wehrt, wenn man
        versucht, sie an der Kante einzureißen. Grundierte Tuche gibt es in
        vielen Stärken, Größen und Beschichtungen. Brauchten Caravaggio und
        Bacon „Nilpferdhäute“, um mit trockenem Pinsel alla prima über die
        Gewebespitzen fahren zu können und so einen quasi natürlichen
        optischen Verlauf  zu
        erzeugen, benötige ich z.B. eine absolut glatte Oberfläche, auf der
        keine Malspur zu sehen ist (bei einem penetrant glatten Autokotflügel
        unerlässlich). In diesem Fall muss man die feinste Leinwand noch ein
        paarmal mit Großspachtel und „Gesso“ (Primer) grundieren und dann,
        als  wäre das nicht schon
        Arbeit genug, nochmals mit Rasierklingen (hochkant!) abziehen: das gibt
        Muckis! Wie überhaupt der rechte Arm von Malern 
        vom ewigen Pinselschwingen - ähnlich wie bei der Winkerkrabbe -
        überdimensional kräftig ist. Kommt also drauf an, was man künstlerisch
        erreichen will. Seit ca. 50 Jahren hat übrigens die Acrylfarbe (auf
        Kunstharzbasis) die klassische Tempera weitgehend 
        verdrängt, sie ist sehr flexibel, man kann sie auch lasierend
        wie Aquarell oder halbdeckend benutzen.
        Hoffen wir, dass sie auch nach 500 Jahren noch intakt ist!
        
        
         
         
             Soviel
        zu den Malgründen. Die Gründe zu malen stehen auf einem ganz anderen
        Blatt. Der „heilige Joseph“ Beuys meinte ja: „Wenn jemand losgeht
        und Keilrahmen und Leinwand kauft, macht er schon mal grundsätzlich was
        falsch“. Was zeigt, dass  auch
        Heilige sich blamieren können. Wer Bildvorstellungen hat
        („Visionen“), muss Bilder machen, wer nicht, nicht.
        
         
         
         
         
        (erschienen in KUNSTZEITUNG Nr. 150) 
        
         
         
         
         
        
         
        
        
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