Dieter Asmus |
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Darf Kunst Spaß machen? |
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Ironie der Geschichte: Ausgerechnet Joseph Beuys, der Malerei haßte
bzw. überflüssig fand ("Malen Sie etwa immer noch, Müller?")
und zu Farben kein Verhältnis hatte außer zu Beton-Grau und
Heftpflaster-Braun - ausgerechnet er hat der zeitgenössischen deutschen
Malerei den Weg ins Ausland geebnet. Schien die Einbahnstraße USA-BRD
lange unumkehrbar, so sah man kurz nach 1980 deutsche Jungwilde
mit aus den Taschen quellenden Dollarnoten (die Bilderpreise von
DM fix noch 1:1
in $ geändert)
Richtung Heimat düsen. O ja, die deutsche Kunst, insbesondere die alle
1O Jahre totgesagte Malerei, ist im Ausland hoch angesehen, also auch im
Inland. Zu Recht?
"Die Kunst ist abstrakt geworden" (ergänze: endgültig),
befand W. Haftmann, der Kunstpapst der 6Oer Jahre , im Katalog der
documenta 2. Da hatte er sich geschnitten! Spätestens 196O war halbwegs
Intelligenten klar, daß die Moderne, die gegen den "Akademismus"
angetreten war, den hochnotwendigen Erneuerungsprozeß – die
"reine" Darstellung der Mittel, mit der Kunst ihre Wirkungen
erreicht – abgeschlossen hatte und selbst anfing, akademisch zu
werden. In diesem Moment bestand zum 1. Mal seit 1OO Jahren die Chance,
einen Schritt zurückzutreten (besser zwei) und sich und uns zu
fragen: Was hat’s gebracht? Und welches sind die jetzt anstehenden
dringendsten Probleme?
Kürzlich sagte mir eine junge Malerin (und sie bestätigte, daß auch
alle ihre Lehrer dieser Meinung seien), die heutige Kunst habe die
Aufgabe, "möglichst häßlich" zu sein und "Mut zu
schlechten Bilder" zu haben, um sich "gegen die gelackte
Warenwelt
absetzen".
Großglockner! Wenn das die Aufgabe der Kunst wäre, würde ich sofort
den Pinsel hinschmeißen und auf Weltreise gehen! Nun ist diese
Forderung keineswegs neu, im Gegenteil, sie ist sozusagen die ästhetische
Erkennungsmelodie des 2O.
Jahrhunderts.
Von Dada über Dubuffets Pissoir-Bilder (denen ich - Gottes Wege
sind merkwürdig - viel verdanke) bis Beuysens Lazarett-Ästhetik,
die seit ewig in der Kunst, der Architektur und im Theater fadisiert -
wer als Künstler auf sich hält, hat gefälligst unfroh und rüde zu sein, vor allem aber: unsinnlich. In der Kunst! Der
einzigen Instanz der westlichen Hemisphäre, wo Sinn
nicht
vom Intellekt, sondern von den Sinnen hergestellt wird. Fällt einem da
nicht unweigerlich die Lichtenbergsche Kulturkurve ein,
nach der Kunst zyklisch die Stadien 1. einfach-kräftig, 2. klassisch,
3. manieristisch, 4. dekadent, 5. pervertiert durchläuft, um dann –
aber das kann dauern! - erneut/erneuert zu starten?
Ich kann mich des blöden, aber unabweisbaren Eindrucks nicht erwehren,
daß wir uns schon lange im Stadium 5 aufhalten. Seit einem halben
Jahrhundert tritt die offizielle Malerei auf der Stelle, wiederholt sich
ständig, albert rum, tritt von einem Bein aufs andere,
als müßte sie dringend etwas, könnte aber nicht (natürlich haben die
Damen & Herren Exegeten und Theoretiker, die die Lufthoheit über
der Öffentlichkeit haben und sonst nichts, daran ein gerüttelt Maß
Schuld). Und haben wir uns denn nicht im Trash und der
offen-rotzigen Malweise als der allein seligmachenden so schön
kuschelig eingerichtet, vor allem, da es sich so bombig verkauft? Aber
das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere, die diffizilere
Lektion, sozusagen der Test für unerschrocken Wagemutige: das Klischee
von der "Perfektion" (der alten Malerei, der kalten
Maschinen, der glatten Plastikgegenstände, der gestylten Waren, ja
sogar, horribile dictu, der "Schönheit") von innen zu
durchstoßen durch eine extraglatte Malerei und damit unsere Zeit ganz
anders und viel typischer zu formulieren. "Verschwindet der Tänzer,
erscheint der Tanz", sagt man in Afrika. Richtig: Reagieren ist die
eine Form der Kunst, Agieren ihre genuine, göttlichere!
Nimmt man die alte Kunst als These, gegen die die Moderne ihre Antithese
setzte, so hätten wir jetzt endlich die Möglichkeit einer Synthese:
die durch die Moderne wiedergefundenen Mittel der Kunst auf die reale
Welt, die sich in den letzten 1OO Jahren rapider verändert hat als in
der gesamten Menschheitsgeschichte vorher (!), "anzuwenden",
Kunst und Welt also mit neuer Perspektive und neuer Lust
aufeinanderprallen zu lassen – das müßte ein Feuerwerk geben!
„Heute scheint es an der Kraft zu fehlen, die Moderne aufzukündigen
und gegen sie noch einmal eine andere Kunstgeschichte zu erfinden",
schreibt E. Beaucamp in der FAZ. Er irrt sich. Er hat nicht aufgepaßt.
Nichts anderes hat die "Gruppe Zebra" bereits 1964/65 in ihrem
Manifest gefordert und seitdem, zusammen mit einigen jüngeren Künstlern,
Schritt für Schritt verwirklicht. Das Problem ist nicht die mangelnde
Kraft der Künstler, sondern die ideologische Hartleibigkeit der
Fachleute, die ihren Arsch aus Mangel an Neugier nicht hochkriegen und
sich ihre Lebenslüge nicht kaputtmachen lassen wollen: Wer die
Gegenwart formuliert, den bestrafen die Gestrigen.
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